„Dornröschen“
Musik: Engelbert Humperdinck
Text: Elisabeth Ebeling, Bertha Lehmann-Filhés, Catharina von Bülow
Spielort: Theater für Niedersachsen Hildesheim
Premiere am: 17.02.2024
Spielzeit: ca. 135 Minuten inkl. Pause
Regie: Catharina von Bülow
Mitwirkende:
König Ringold/Vogt: Eddie Mofokeng
Königin Armgart/Stimme der Sonne: Katharina Schutza
Röschen: Sonja Isabel Reuter
Tellermeister/Bote/Mond: Felix Mischitz
Koch: Jesper Mikkelsen
Prinz Reinhold: Julian Rohde
Rosa, Königin der Feen/Quecksilber: Sophia Revilla
Morphina/Dämonia: Sofia Pavone
und viele mehr
Darum geht’s
Die Oper setzt die Handlung des bekannten Märchens um und erweitert sie, zum Beispiel, indem Prinz Reinhold nicht nur die böse Fee Dömonia besiegen und Dornröschen finden, sondern auch noch die Verlobungsringe seines gleichnamigen Vorfahrens und Dornröschens finden muss. Dafür befragt er Sonne, Mond und Sterne, bevor ihm, zurück auf der Erde, schlussendlich Quecksilber weiterhilft.
So ist’s gemacht
Am Anfang jeder Märcheninszenierung steht eine Entscheidung: Bleibt man traditionell märchenhaft? Modernisiert man? In Hildesheim beantwortet man diese Fragen mit einem klaren „Jein“ und beruft sich darauf, dass Märchen zeitlos sind. So sind in Bühnenbild und Kostüm einige traditionelle Elemente erkennbar, andererseits auch einige moderne. Oder haben Sie Dornröschen schon mal in Turnschuhen gesehen? Das „sowohl als auch“, das hier deutlich wird, zieht sich ebenso durch einige andere Entscheidungen. Bei der Umsetzung der Dialoge spielt man modern abstrakt Stimmen ein, zu denen die Darstellenden dann pantomimisch agieren – das führt leider dazu, dass das Spiel vor der Pause streckenweise arg albern wirkt.
Die Sprache der Dialoge selbst schwankt zwischen traditionell-gereimt und modern-ungereimt. Hier sollen wohl auch die 100 Jahre deutlich werden, die während der Handlung verstreichen. Die Inszenierung wechselt zudem ständig zwischen einer modernen, flippigen, teils fast außerirdischen Atmosphäre und einem wahrhaft märchenhaften Raum: Wenn Prinz Reinhold sich mit einem leuchtenden Schwert durch neongrüne Seile kämpft, hat das etwas von einer etwas zu günstigen Star Wars-Kopie. Befragt er hingegen die Sonne, die leuchtend inmitten von Sternen (gespielt vom mit Lichterketten geschmückten Chor) in einem riesigen Fluss aus Theaternebel steht, so entstehen bezaubernde Bilder, die so gar nicht zu dem in der nächsten Szene entstehenden Plastik-Star-Wars zu passen scheinen. Nicht einmal das Böse ist vollständig böse: Dämonia, böse Fee, und Morphina, gute Fee des Schlafes, sind ein und dieselbe Person.
Die Vielfalt, aber auch Zwiespältigkeit dieses Inszenierungsstils spiegelt sich auch in den Publikumsreaktionen in der Pause und nach dem Stück: Applaus und einige Buhrufe, Äußerungen wie „Na ja, sie haben sich jedenfalls Mühe gegeben“, „Hat mir gefallen“, „Die grünen Bänder hab ich nicht verstanden“ oder „Also erwartet hab ich was anderes“ zeigen, dass die Bandbreite der Reaktionen so groß ist wie die Bandbreite der Inszenierung selbst.
So wird gespielt
So viele Akteur:innen stehen in Hildesheim selten auf der Theaterbühne und auch der Orchestergraben ist gut gefüllt. Dabei machen die allermeisten Beteiligten ihre Sache gut. Vor allem gelingt es Dirigent Achim Falkenhausen beeindruckend, alle zusammenzuhalten. Im Orchester glänzen die Blechbläser:innen (insbesondere bei fanfarenartiger Musik), während bei den Streichinstrumenten nicht immer alle Töne fein klingen.
Aus dem Ensemble auf der Bühne sticht niemand wirklich negativ heraus, einige hingegen hinterlassen einen besonders guten Eindruck: Sophia Revilla zeigt als Feenkönigin und Quecksilber, wie wandlungsfähig sie in ihrem Spiel ist. Julian Rohde vermag insbesondere in den Höhen den einen oder anderen wirklich schönen Ton zu transportieren. Sonja Isabel Reuter zeigt in ihren Gesangssituationen, dass sie deutlich mehr draufhaben dürfte als diese recht kurze Partie. Die höchste Gunst beim Publikum erspielt sich Sofia Pavone, die in ihrer Doppelrolle sowohl gesanglich als auch schauspielerisch überzeugt.
Fazit
Musikalisch ist der Abend gelungen, die Inszenierung kommt mit Stärken und Schwächen daher. Ob das Regieteam zurecht einige Buhrufe hinnehmen musste, sei dahingestellt, jedenfalls kann man das Konzept der Inszenierung – je nach Blickwinkel – sowohl als zeitlos-offen als auch als entscheidungsunfreudig-mutlos betrachten. Für die meisten im Publikum war es wohl schlussendlich einfach ein netter Opernabend. Und das ist doch auch schon mal was.
Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱
7 von 10 Sternen!
Nächste Aufführungen in Hildesheim am 22. Februar, 17./19. März, 1. April, 15. Mai, 8./21./30. Juni 2024
Weitere Spielorte: Emden, Nienburg, Hameln