„Der Mauretanier“
Premiere in Deutschland: 09.06.2021 (Berlinale)
gesehen am: 10.07.2021 im Astor Grand Cinema Hannover
gesehene Version: Deutschsprachige Fassung
Spielzeit: 130 Minuten
Regie: Kevin Macdonald
Das Drumherum
Das Astor Grand Cinema hält nicht umsonst etwas auf sich. In Hannover ist das Luxuskino, das die Atmosphäre eines alten Filmpalastes im modernen Stil vermitteln möchte, längst kein Geheimtipp mehr. Und so ist auch an diesem Samstagabend die Schlange am Einlass recht lang. Allerdings stehen auch vor dem Saal verdächtig viele Menschen, dafür, dass die Werbung in fünf Minuten anfangen soll… Tatsächlich: Es liegt ein technisches Problem vor. Während hinter den Kulissen fleißig gebastelt wird, gibt sich das Personal auch für das Publikum Mühe: Während der Wartezeit auf den Einlass gibt’s Sekt oder Orangensaft auf Kosten des Hauses. Ein Mitarbeiter informiert regelmäßig über den aktuellen Stand. Auf Werbung und Trailer wird weitestgehend verzichtet, damit die Zuschauenden am Ende wenigstens einigermaßen pünktlich das Haus verlassen können. Und dann gibt’s auch noch einen Getränke- oder Popcorn-Gutschein für jede*n. Schlussendlich läuft dann alles und das Publikum verlässt den Saal insgesamt rund 10 Minuten später als geplant. So geht Kundenorientierung!
Darum geht‘s
Erzählt wird die Geschichte von Mohamedou Ould Slahi, Nancy Hollander und Stuart Couch. Sie beruht auf wahren Begebenheiten. Slahi, ein Mauretanier, wird 2002 in seiner Heimat festgesetzt und als Verdächtiger in Bezug auf die Anschläge vom 11. September 2001 nach Guantanamo gebracht. Er wird dort 14 Jahre verbringen, ohne auch nur ein einziges Mal wegen irgendeiner Tat angeklagt zu werden. Nach ein paar Jahren in Haft trifft er zum ersten Mal auf Nancy Hollander, die ihn als Anwältin gegenüber dem amerikanischen Staat vertreten will. Hollander ist sich zunächst unsicher, ob Slahi unschuldig ist oder nicht, steht aber nachdrücklich für das Recht des Gefangenen auf anwaltliche Betreuung ein. Zeitgleich soll Lt. Col. Stuart Couch als Chefankläger dafür sorgen, dass Slahi möglichst die Todesstrafe erhält. Couch stößt jedoch bei seinen Ermittlungen mehr und mehr auf Mauern, hohe Behörden, die ihm Informationen vorenthalten…
So ist’s gemacht
„Der Mauretanier“ beginnt als gemächlich erzähltes Justizdrama und entwickelt sich im Laufe der Handlung zu einem waschechten Thriller, der niemanden im Kino kalt lassen dürfte. Die Altersfreigabe ab 12 Jahren, die der Film in Deutschland erhalten hat, ist angesichts einiger eindringlicher Folterszenen durchaus überraschend. Genau der Umstand dieser Wandlung vom Drama zum Thriller sorgt dafür, dass die Zuschauenden Stück für Stück immer weiter in die Handlung hineingezogen werden. Dabei verzichtet der Film neben einigen intensiven Soundeffekten auf viel Trara, er verlässt sich lieber auf seine Geschichte – eine gute Entscheidung. Die für das Publikum emotionalste Szene ist dann auch eine ohne jedes Geräusch – weiße Schrift auf schwarzem Grund.
So wird gespielt
Nicht nur auf seine Handlung, auch auf die Darsteller*innen verlässt sich Regisseur Kevin Macdonald. Und zwar mit einigem Recht: Benedict Cumberbatch und Jodie Foster tragen die Justizseite des Thrillers mit Leichtigkeit und der nötigen Intensität im Schauspiel. Einfach großartig ist Tahar Rahim in der Rolle des Slahi: In seinem Gesicht kann man kleinste Gefühlsregungen ablesen, jede Nahaufnahme wird so zur Erkenntnisfolie.
Fazit
Ein relevanter, packender Thriller mit toller Besetzung und sehr zielführender Struktur: „Der Mauretanier“ ist intensives, großes Kino!
Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱✱✱✱
10 von 10 Sternen!
Der Film läuft aktuell im Kino.