„Der Prozess I. Eichmann“
von krügerXweiss
Spielort: Staatstheater Braunschweig, Kleines Haus
Premiere am: 26.06.2021
gesehen am: 03.07.2021
Spielzeit: ca. 80 Minuten
Regie: Marie-Luise Krüger, Christian Weiß
Mitwirkende:
Ruth Bohsung, Cecilia Pérez, Saskia Petzold, Saskia Taeger
Darum geht’s und so ist’s gemacht
Einiges läuft an diesem Abend anders als gewohnt: Über jede Sitzlehne ist ein Kopfhörer geklemmt. Diesen Kopfhörer setzt man sich zu Beginn des Stücks auf. Er isoliert die Umgebungsgeräusche in hohem Maße und übertragt alles, was man hören soll. O-Töne, Musik, Hintergrundgeräusche und live auf der Bühne gesprochene Texte vermischen sich zu einer Art Live-Hörspiel mit gleichzeitigem visuellen Theatererlebnis.
Inhaltlich steht der Prozess gegen Adolf Eichmann von April bis Dezember 1961 im Vordergrund. Eichmann hat in der Zeit des Nationalsozialismus die Verfolgung und Deportation von Juden und Jüdinnen maßgeblich organisiert. Das Stück beschäftigt sich mit dem Prozess selbst, nicht aber mit seiner Rezeption (Stichwort „Banalität des Bösen“) und arbeitet mit Texten aus den Originaldokumenten. Es entsteht ein Geschichtsmosaik, ein dokumentarisches Bollwerk gegen das Vergessen. Ein Abend, der das Publikum zum Mitdenken herausfordert, zum Bilden einer eigenen Haltung.
Um die verschiedenen Versatzstücke des Abends zu illustrieren, braucht es ein flexibles Bühnenbild, das Andrea Jensen in vier portablen Glaswänden gefunden hat. Das Wandinnere kann mit Theaternebel gefüllt werden, wodurch zusammen mit geschickter Lichtsetzung abstrakte, aber dennoch starke Bilder entstehen. Die vier Darstellerinnen halten durchgehend Babys (Puppen) im Arm, sodass jederzeit deutlich wird, dass es in diesem Prozess nicht nur um Vergangenheit und Gegenwart geht, sondern auch um die Zukunft, um eine Verarbeitung im Sinne der Nachfahren.

So wird gespielt
Mit Ruth Bosung und Cecilia Pérez gehören zwei Studierende der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover zum Ensemble des Stücks. Beide machen ihre Sache rundum gut, sind präsent und füllen ihre Rollen gelungen aus. Saskia Petzold und Saskia Taeger sind Ensemblemitglieder am Staatstheater Braunschweig, insbesondere Taeger überzeugt durch ihr klares und doch differenziertes Stimmverhalten – Stimme ist ja ein Element, das durch die Kopfhörerübertragung eher noch an Bedeutung gewinnt.
Fazit
Ein rundum überzeugendes Konzept, gute Schauspielleistungen und das spannende Thema sorgen dafür, dass das 80-minütige Stück immer interessant und niemals langweilig ist, selbst dann, wenn es sehr abstrakte Momente hat. Kluge Unterhaltung, die zum Nachdenken anregt und Lust auf mehr macht – gerne auch wieder mit Kopfhörern!
Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱✱
8 von 10 Sternen!
Weitere Aufführung: 11. Juli 2021