„Frankenstein“
von Michael Talke nach dem Roman von Mary Shelley
Spielort: Staatstheater Braunschweig
Premiere am: 11.09.2020
Gesehen am: 11.10.2020
Spielzeit: ca. 105 Minuten
Regie: Michael Talke
Mitwirkende:
Tobias Beyer / Luca Füchtenkordt / Gina Henkel / Gertrud Kohl / Roman Konieczny / Johannes Mittl / Robert Prinzler / Mattias Schamberger
Darum geht’s
Die Romanhandlung wird in folgendem Video gekonnt umrissen:
So ist’s gemacht und so wird gespielt
Einen Roman auf die Bühne zu bringen, ist immer gefährlich. Wie weit abstrahiert man, wie nachvollziehbar kann die Handlung bleiben? Michael Talke entscheidet sich für einen gelungenen Mittelweg: Die Darstellungsweisen sind besonders, die Erzählweise aber zugleich so traditionell, dass man der Handlung zumeist gut folgen kann.
Geübte TheatergängerInnen werden einige recht typische Darstellungsweisen der letzten Jahre wiederentdecken: Die Stückillusion wird von Beginn an durchbrochen, da die DarstellerInnen hinten am Bühnenrand aufgereiht sitzen. Eine klare Rollenzuweisung gibt es nicht – mal übernehmen mehrere DarstellerInnen dieselbe Figur, mal wechselt man sich ab. Das Bühnenbild ist auf das Wesentliche reduziert. Mitten im Spiel kommt es zu Meta-Diskussionen.
Es findet aber auch einiges statt, was nicht täglich auf einer Bühne zu sehen ist: Michael Talke arbeitet in seiner Inszenierung viel mit Stummfilmelementen. Johannes Mittl am Klavier steuert, unterstützt von elektronischen Effekten, den Soundtrack bei zu der interessanten Atmosphäre, die durch Textvorhänge und Schwarz-weiß-Bilder entsteht. Interessant wäre es gewesen, die Stummfilmelemente noch konsequenter zu verfolgen, auch sie werden immer wieder unter- und aufgebrochen. Auch insgesamt ist festzustellen, dass die Inszenierung ein wenig ziellos daherkommt, das Konzept immer wieder zu wechseln scheint, sodass am Ende keine klare Regiehandschrift zu erkennen ist. Dennoch: Viele der gewählten Mittel sind tragfähig, beispielsweise ermöglicht die Aufteilung der Frankenstein-Figur auf mehrere DarstellerInnen einen Diskurs innerhalb der Figur auf offener Bühne.
Das Ensemble zeigt an diesem Abend durchweg gelungene Darstellungskunst. Negative Ausreißer gibt es keine. Besonders positiv fallen zwei SchauspielerInnen auf: Gertrud Kohl verleiht Frankensteins Monster die nötige Zerbrechlichkeit und Verzweiflung, um aufzuzeigen, dass diese groteske Schöpfung eigentlich nur beachtet und geliebt werden möchte. Roman Konieczny gestaltet die Figur des Frankenstein mit besonders beeindruckender Stimme.
Fazit
Eine etwas ziellose Inszenierung, die den Kern der Geschichte aber passend in den Fokus nimmt und zugleich reflektiert, sorgt gemeinsam mit guten Darstellungsleistungen für einen Theaterabend, dessen Besuch sich lohnt.
Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱
7 von 10 Sternen!
Weitere Aufführungen am 16., 17., 24. Oktober / 25. November 2020