„Falstaff“
Musik: Giuseppe Verdi
Text: Arrigo Boito
Spielort: Staatsoper Unter den Linden Berlin
Premiere der Inszenierung am: 25.03.2018
gesehen am: 02.02.2020 (10. Vorstellung der Inszenierung)
Spielzeit: ca. 180 Minuten inkl. Pause
Regie: Mario Martone
Abendbesetzung:
Musikalische Leitung: Zubin Mehta
Sir John Falstaff: Lucio Gallo
Ford: Alfredo Daza
Fenton: Francesco Demuro
Dr. Cajus: Jürgen Sacher
Bardolfo: Stephan Rügamer
Pistola: Jan Martinik
Mrs. Alice Ford: Barbara Frittoli
Nannetta: Slávka Zámečníková
Mrs. Quickly: Daniela Barcellona
Mrs. Meg Page: Cristina Damian
Darum geht‘s
Sir John Falstaff ist ein abgehalfterter Adliger und Schürzenjäger. Er hat sowohl Mrs. Meg Page als auch Mrs. Alice Ford einen Liebesbrief geschrieben, allerdings stehen beide in Kontakt und stellen schnell fest, dass ihre Briefe bis auf ihre Namen komplett identisch sind. Sie beschließen, Falstaff hereinzulegen…
So ist’s gemacht
Regisseur Mario Martone und sein Kreativteam entscheiden sich dafür, die Handlung in die Jetztzeit zu verlegen. Falstaff wird zum Alt-68er, der sich in einem besetzten Haus herumtreibt. Inhaltlich genutzt wird das für die Inszenierung allerdings nicht weiter. Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass die Verlegung in die Moderne überhaupt keine weiteren Folgen hat. Sie stört aber auch nicht, und so bleibt das der einzige und nicht allzu schwer ins Gewicht fallende Kritikpunkt an Martones Version der Oper.
Was nämlich hervorragend gelingt, überwiegt: Martone erzeugt starke Bilder, vor allem, indem er den zweiten Teil des letzten Aktes in einer Industrieruine spielen lässt. Viel Wert gelegt wird aber eben nicht nur auf die Darstellung des jeweiligen Umfeldes – hier ist besonders der Kontrast von Falstaffs Umgebung zum mondänen Bungalow der Fords mit Pool zu nennen –, sondern auch darauf, dass der Witz der Handlung angemessen transportiert wird. Das Verwirrspiel, das seinen Handlungsursprung in den zwei Shakespeare-Dramen „König Henry IV.“ und „Die lustigen Weiber von Windsor“ hat, wird nachvollziehbar und dennoch turbulent in Szene gesetzt. Dabei zählt Mario Martone auf Details: Kleine Kniffe wie hochspritzendes Wasser, wenn Falstaff, in einem Wäschekorb versteckt, zusammen mit der Kleidung in den Fluss neben dem Haus der Fords geschmissen wird, amüsieren und bezeugen Detailverliebtheit. Diese Detailarbeit setzt sich in der Personenregie fort: Martone macht seine Figuren zu lebenden Menschen, nicht nur zu an der Rampe stehenden Knallchargen, und bringt so auch den Tiefgang, den „Falstaff“ neben der vielen komischen Elemente ohne Zweifel durch die vielschichtige Musik ebenfalls besitzt, zum Vorschein.
So wird gespielt
Geadelt wird die gelungene Inszenierung durch eine nahezu perfekte musikalische Umsetzung: Weltstar-Dirigent Zubin Mehta, mit seinen 83 Jahren sichtbar nicht mehr auf der Höhe seiner körperlichen Kraft, gelingt es, einen derart stimmigen Gesamtklang zu erzeugen, wie man ihn selten hört. Die Perfektion aus dem Orchestergraben wird ergänzt dadurch, dass Mehta zu jeder Zeit alle Beteiligten scheinbar mühelos zusammenhält.
Cristina Damian ist eine solide Meg Page, die schauspielerisch etwas hinter den anderen Beteiligten zurückbleibt, dies ist allerdings als Kritik auf hohem Niveau zu verstehen. Jürgen Sacher, Stephan Rügamer und Jan Martinik gestalten ihre Rollen angemessen und mit dem nötigen Witz. Francesco Demuro ist ein sehr stimmschöner Fenton, der mit Slávka Zámečníková als Nannetta prima harmoniert, sodass beide Figuren luxuriös besetzt erscheinen. Daniela Barcellona bringt die Ausstrahlung und auch die Stimme für die resolute Mrs. Quickly mit und verkörpert sie in jedem Moment überzeugend. Alfredo Daza ist ein wirklich guter Ford, der insbesondere in seinen gefühlsbetonten Momenten für Gänsehaut sorgt. Barbara Frittoli gestaltet Alice Ford mit viel Schalk im Nacken und strahlender Stimme. Über allem glänzt als Falstaff Lucio Gallo, der mit Stimmgewalt und hervorragendem schauspielerischem Ausdruck zu begeistern vermag. Zwar ist er äußerlich nicht der typische Falstaff (zu schlank und ansehnlich), doch ansonsten erscheint er als Idealbesetzung.
Fazit
Verdiente Begeisterungsstürme im Publikum: „Falstaff“ in der gelungenen Inszenierung von Mario Martone ist sicher kein Theater zum nachhaltigen Denken, aber ein spritziger Abend, dargeboten in herausragender musikalischer und schauspielerischer Qualität.
Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱✱✱
9 von 10 Sternen!
Weitere Vorstellung: 14.02.2020
Herzlichen Dank der Staatsoper Unter den Linden für die Bereitstellung von Pressefotos.
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