„Iphigénie en Tauride„
Musik: Christoph Willibald Gluck
Text: Nicolas Francois Guillard
Spielort: Staatstheater Kassel
Premiere der Inszenierung am: 20.12.2014
gesehen am: 04.03.2015
Aufführungsdauer: ca. 130 Minuten inkl. Pause
Regie: Reinhild Hoffmann
Abendbesetzung:
Musikalische Leitung: Jörg Halubek
Iphigénie: Hulkar Sabirova
Erscheinungen: Jörg Weinöhl
Thoas: Hee Saup Yoon
Orest: Hansung Yoo
Pylades: Bassem Alkhouri
Oberpriesterin: Ulrike Schneider
Diana: Anna Nesyba
Ein Skythe: Bernhard Modes
Ein Tempeldiener: Michal Kuzma
Tänzerinnen: Annika Hoffmann, Susanna Horn, Hanna Lee, Deborah Smith-Wicke
Tänzer: Arthur Haas, Dhimas Aryo Satwiko
Darum geht‘s
Seit langem liegt ein Fluch auf den Nachkommen des Tantalos. Diesem Fluch kann sich auch Iphigenie nicht entziehen: Als ihr Vater Agamemnon einen heiligen Hirsch der Artemis (römisch: Diana) tötet, bestraft die Göttin seine Flotte, die gen Troja zieht, mit einer Flaute. Agamemnon soll Iphigenie opfern, um seine Untat zu sühnen. Im letzten Moment rettet Artemis Iphigenie und entführt sie nach Tauris, wo sie ihr als Priesterin dienen soll. Nach dem Krieg zeigt sich, dass Klytaemnestra, Iphigenies Mutter, ihrem Mann die beabsichtigte Opferung nicht verziehen hat: Sie tötet ihn. Daraufhin tötet Orest, Iphigenies Bruder, Klytaemnestra und flieht.
Auf Tauris nun führt der Herrscher Thoas ein strenges Regiment. Aus Angst, ihm könne jemand ein Leid antun, will er alle Fremden, die nach Tauris kommen, opfern lassen. Als Priesterin ist Iphigenie für diese Opferungen zuständig. Als Orest und Pylades, die eine sehr innige Männerfreundschaft führen, auf der Flucht zufällig nach Tauris gelangen, erkennen sie und Iphigenie sich gegenseitig nicht. Bald soll Iphigenie mindestens einen der beiden der Artemis opfern. Wird die Göttin dieses grausame Schauspiel verhindern können?
So ist’s gemacht
Die Vorgeschichte wird zu Stückbeginn durch eine Schauspielerinnenstimme vorgetragen. Eine angenehme Vorbereitung auf das, was kommt. Als der Blick auf das Bühnenbild frei wird, bietet sich den ZuschauerInnen ein beeindruckendes Bild: Iphigénie auf einem Gestell inmitten eines tosenden Meeres, um sie herum versuchen die anderen Priesterinnen, sie zu erreichen. Das Grauen kündigt sich an.
Im weiteren Verlauf der Inszenierung stehen mehrere verschiebbare, in Schwarz und Weiß gestaltete Bühnenelemente im Vordergrund. Räume können flexibel erzeugt, manchmal auch nur angedeutet werden, diverse Bühnenzu- und –abgänge tun sich auf.
Angenehm an der Inszenierung von Reinhild Hoffmann ist die Zurückhaltung, mit der sie das Stück interpretiert: Hier ist nichts grell und absurd, sondern alles ist abgestimmt auf die Handlung. Ähnlich wie Glucks handlungsbasierte Musikgestaltung (im Vergleich mit den teilweise starren musikalischen Strukturen anderer Komponisten seiner Zeit nicht selbstverständlich) setzt Hoffmann auf Elemente, die das Geschehene umreißen, einbetten, aber nicht überzeichnen. Wunderbar unterstützend wirken die tänzerisch-dramatischen Einlagen Jörg Weinöhls, die insbesondere die Träume der Figuren darstellen und deuten.
Leider gerät im stimmigen Ganzen dann doch manches Detail ein wenig zu abgeschmackt: Dass eine völlig weiße Bühnenwand im Laufe der Zeit mit Theaterblut beschmiert wird, ist schlichtweg vorhersehbar. Dass die Priesterinnen in einer Art Schlachter-Uniform auftreten, wirkt platt und der sonstigen Inszenierungstiefe nicht angemessen.
So wird gespielt
Dass sich der 1977 geborene Dirigent und Universitätsprofessor Jörg Halubek mit historischer Musik auskennt, ist ab dem ersten Ton hör- und spürbar: Das gut aufgelegte Staatsorchester klingt an diesem Abend wunderbar durchsichtig und zart. Wenige misslungene Töne sind bei ansonsten tadelloser Leistung leicht zu verzeihen.
Hulkar Sabirova ist eine ideale Iphigénie – sie beherrscht das gesamte Register von zarten Tönen bis hin zu verzweifelter Kraft. Hee Saup Yoon hat als Thoas eine achtungheischende Bühnenpräsenz; sowohl darstellerisch als auch stimmlich vermag er auf ganzer Linie zu überzeugen. Hansung Yoo und Bassem Alkhouri harmonieren stimmlich gut miteinander, szenisch kann der Darsteller des Orest jedoch mehr punkten, da Alkhouri immer wieder recht steif agiert.
Insbesondere der weibliche Teil des Chores präsentiert sich an diesem Abend in bester Verfassung.
Fazit
Musikalisch herausragend, szenisch insgesamt passabel: Glucks „Iphigénie“ ist in Kassel einen Besuch wert.
Wertung: ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱✱
8 von 10 Sternen!
Weitere Aufführungen: 12., 16. April / 09. Mai / 04., 12. Juni / 24. Juli 2015
Herzlichen Dank dem Staatstheater Kassel für die Erlaubnis zur Einbettung der Fotos!